Rückblick: Studienzeit von 2002-2012

Krefeld und Berlin

Malerei ist ein Weg, der die Sinne zur Seele führt und von dort zurückkehrt.

Nur wenn man die Erdbeere probiert hat, kann man wirklich wissen, wie sie schmeckt. Erst dann kann man sich in jemanden hineinversetzen, der gerade eine Erdbeere ist. Dies ist, wie Empathie funktioniert. Wenn man nichts Sinnliches erlebt und sich nicht erinnert oder reflektiert, kann man nichts nachvollziehen. Die Wahrnehmung der Seele funktioniert ähnlich: Man benötigt Raum und Zeit, um sie wahrzunehmen und sich an sie zu erinnern, um sie als wirklich vorhanden bezeichnen zu können. Die Malerei ist ein Weg, in eine Zwiesprache mit der Seele zu treten.

 

Vom wirtschaftlichen Pfad zur künstlerischen Laufbahn

In der Blüte meiner jungen Erwachsenenzeit, als ich gerade Karriere in der Wirtschaft machte und mit Mitte 30 auf 20 Jahre angestelltes arbeitsleben inkl.  kaufmännischer Ausbildung und einem nebenberuflichem BWL-Studium zurückblicken konnte, stieß ich bei Recherchen zufällig auf ein Kunststudium.

 

Ich erinnerte mich die Urlaube mit der Familie. Jedes Jahr fuhren wir nach Spanien und während der langen Autofahrt faszinierten mich die Weinberge um mich herum. Ich zeichnete sie. Auch erfand ich ganze Städte aus der Vogelperspektive, obwohl ich sie von dort aus gar nicht sehen konnte. Ich erinnere mich gut, wie ich die Häuser, die Straßen, die Hunde, die Menschen, die Blumen und alle weiteren Dinge nebeneinander gleichberechtigt auf dem Papier anordnete und mit einander verband. Auch hatte ich eine "Eins" in Kunst. Doch niemals verfolgte ich ernsthaft diesen Weg, weil ich damals nicht die nötige Unterstützung für diesen Weg erhalten hätte und selbst auch nicht auf die Idee gekommen wäre, diesen Weg überhaupt ernst zu nehmen.

 

Ich stieß dann also mit Anfang dreißig Jahren zufällig auf ein nebenberufliches Studium an einer Kunstakademie in Krefeld, erinnerte mich an meine zeichnerischen Wurzeln, und meine gelegentlichen Zeichnungen und Aquarelle und entschied mich, den "Weg der Kunst" erst mal nebenberuflich einzuschlagen, relativ naiv und mit wenig Vorkenntnissen. Ich konnte allerdings einige Zeichnungen und Aquarelle vorweisen, die ich in meiner wenigen Freizeit neben meinem Berufsleben anfertigte. Veit Johannes Stratmann, der die Akademie in Krefeld gegründet hat, brachte mich mit einer Aussage auf meine persönlichen Erforschungspfade, als ich ihm im Vorstellungsgespräch meine Mappe und darin ein gezeichnetes Stillleben mit Mandarinen präsentierte: "Wenn Du die Mandarinen malst, malst Du nicht die Mandarinen." Trotzig und provokant reagierte ich: "Wie? Was soll das? Was soll ich denn sonst malen?" Schließlich lagen sie dort in der Schale...  Während Veit weiterhin entspannt war und mich belächelte, war ich fassungslos über meine eigene Unkenntnis und Ohnmacht in Bezug auf das Thema und so gar nichts entgegnen zu können. Am Ende heulte ich den ganzen langen Nachhause-Weg lang. Mein damaliger Lebenspartner war empört und riet mir, nicht mehr dort hin zu gehen, denn das sei eine Sekte. Schublade auf, Schublade zu. Fertig. Und weiter. Meine Sehnsucht im Herzen war allerdings groß und ich fühlte mich von dem künstlerischen Weg magisch angezogen, auch wenn das bedeutete, vieles - auch Geliebtes - aufzugeben und mich aus meiner Comfortzone hinein in ein unbekanntes Terrain zu bewegen. Zunächst studierte ich 4 Jahre lang an den Wochenenden Malerei in Krefeld.

 

Die Anfänge in Krefeld: Bewegtheit und Ruhe

Frühe Arbeiten führten mich während meines Studiums zu unterschiedlichen Auseinandersetzungen mit Farben und Materialien und damit schnell zu den Themen Bewegtheit und Ruhe.

 

Erste Stillleben - Die unerkannte Lebensweisheit in den Zitronen

Bei meinem ersten Stillleben war Aufgabenstellung Früchte zu malen. Wir sollten uns selbst unser Stillleben zusammenstellen. Ich habe mir Zitronen ausgesucht, hatte dabei keine Ahnung von Cézanne oder von irgend welchen anderen großen Malern. Was ich jedoch spannnd fand und ganz intuitiv zusammengstellt habe: die zentrierte Position (Zitronen). Nichts daran ist Zufall. Obwohl ich es intuitiv aus dem Bauch heraus "einfach zusammengestellt" hatte, erschließt sich mir erst heute: Die Einheit in der Zweiheit, die heilige Zahl Drei, war damals die Antwort auf meine innere Frage: Was ist Kunst? Damals waren es für mich nur Zitronen, die ich "irgendwie" und "gedankenlos" gemalt hatte, weil meine Wahrnehmung um die innere Dimension des Seins noch gar  (wieder-)entdeckt hatte.

 

Die Freiheit der Linie - Rudolf Schoofs

In den ersten beiden Jahren experimentierte ich mit vielen verschiedenen Materialien, wie Kreiden, Aquarell, Öl, Acryl und Lack und malte mit Waschlappen (siehe Landschaft), Pinsel, Spachteln auf Holz, Metall, Leinwand, Glas. Es war wie eine Explosion, ich wollte alles erkunden und am besten sofort. Die erste nennenswerte freie Serie malte ich mit Öl auf Baumwolle (N.Y., 2003) bei der ich meine Empfindung von Stadtleben mit dynamischen Pinselstrichen darstellte. Inspiriert war ich von Rudolf Schoofs New York Bildern (1983). Ich bewunderte die Freiheit, sich offen der Form zu nähern, alles als "Wandel" zu begreifen. Damals habe ich einfach einen nur Ausdruck für mein Empfinden gesucht, für das ich damals keine Wort hatte. Ich fühlte mich in New York ein, ohne dort gewesen zu sein. Durch Selbstbeobachtung am Bild stellte ich fest, wie sich diese Stadt anfühlen musste. Deswegen habe ich in dem Stil Rudolf Schoofs meine Stillleben und auch Malereien von Fotos gemalt. Eine dynamische Malerei entwickelt sich. Über die Wilden 80er Maler hatte ich damals keine Wissen. Ich komponierte meine Bilder kraftvoll-offen und erlebte in Eigenbeobachtung meine eigene Revolution und Befreiung von der Vorlage, der Form und dem Gegenstand. Ich nahm die Form zum Anlass, mich mit dem Pinsel dynamisch über das Papier zu bewegen und entwickelte mehr und mehr abstrakte Flächen. So machte ich aus einer Honig-Melone einen "Feuerball" vor einem Braun-Blauen Hintergrund. Dabei hatte ich keine Ahnung von Kunstgeschichte und hatte vorher lediglich van Gogh und Gaugin wirklich und echt gesehen - sie allerdings damals nicht tief innerlich verstanden, weil ich damals nicht die Fähigkeit hatte, nachzuvollziehen, was diese avangardistischen Maler wertvolles für die Menschheit entdeckt hatten. Ich hatte bis dahin meinen eigenen gefühlsmäßigen Tiefgang noch nicht erschlossen, was bedeutet: bewusst zu erlebem und zu reflektieren.

 

Vom Gegenstand lösen - Wassily Kandinsky 2002 - 2004

Die Melone als "Feuerball" und die Stadt-Bilder waren die Vorgänger-Bilder für die tatsächliche Ablösung vom Gegenstand. Über eine Studie von kleinen Ölskizzen fand ich schrittweise heraus, was mich wirklich interessierte (Studie, 2003). Ich malte so lange kleine Ausschnitte von dem Akademie-Innenhof, bis ich das für mich Wesentliche ins Bild brachte, das mir innerdialogisch als stimmig bestätigt wurde. Es gab keine äußere Instanz, die mir sagte, ich solle es so tun. Bei dieser Arbeit ist zu sehen, dass es (v.l.n.r.) vom optisch Vielseitigen/ Kompliziertem ins optisch fasst Leere, "

Einfache und Abstrakte", verläuft. zu begreifen, dass die Bilder, die ich in die Welt bringe, echte Zeugen einer Wahrheit sind, die sich durch mich automatisch ins Bild gesetzt hatte, flashte mich enorm. All meine bis dato erzeugten Vorstellungen von Realität wurden in Frage gestellt. Das war überwältigend.

 

Parallel las ich in dieser Zeit Kandinskys Werk "Punkt und Linie zur Fläche". Ich war gefesselt. So kam ich nach mehreren Übergangsbildern zu abstrakten Formen. Ich malte eine Serie mit geometrischen Flächen mittels Abklebetechnik (Parkplatz, 2004) und kombiniert diese mit organischen Formen (Garten/Garten2, 2004). Mir war neu, dass ich Landschaften erfinden konnte, die nur aus geometrischen Flächen bestehen und trotzdem einen Raum eröffnen. Die Freiheit der Komposition gefiel mir sehr gut. Und ich hatte mich nicht mit abstrakten Künstlern der Zeit beschäftigt. Eine Studentin imitierte zum Beispiel Bilder von Roy Lichtenstein. Das wäre mir nie in den Sinn gekommen. Bei mir ging es immer um eine authentische, mit mir vereinbare Komposition von Bildern und Bilderfindungen.

 

In diesen Jahren sind dazu jeweils Serien entstanden. Wenn ich etwas für mich persönlich "erforscht" hatte, verweilte ich nicht weiter bei dem Thema und probierte Neues aus. In dieser Zeit arbeitete ich noch mit Pinseln und habe mich an realen Situationen und Gegenständen orientiert. Das Bild hing beim Herstellen zu dieser Zeit noch an der Wand oder auf der Staffelei.

 

Bobb Ross

Ein Schlüsselbild spachtelte ich ganz zu Beginn meines Studiums 2002 mit Ölfarben (Berg und See, 2002). Ich kannte die großen Maler*innen der Kunstgeschichte noch nicht. Allerdings kannte ich aus meinen schlaflosen Nächten den Maler Bob Ross aus dem Fernsehn. Natürlich malte ich Zuhause eine Schneelandschaft bevor ich überhaupt studierte. Im Studium dann griff ich diese Spachtel-Technik wieder auf und zu Beginn des Studiums spachtelte ich intuitiv in 5 Minuten ein Bild frei nach der Bobb-Ross-Technik. Es ist erstaunlich, dass diese recht unbewusst und präzise Bilderfindungen - die ich damals nicht ernst genommen habe - bereits schon die Sprache vorwegnahm, die heute mein Werk auszeichnet, nur das ich damals dafür noch keine Worte finden konnte. Geschweige denn dieser Arbeit überhaupt irgend einen Werk beimessen konnte.   Dieses Phänomen der "Landschaft im Zentrum" des Bildes hatte mich damals schon sehr berührt, insbesondere wie es in der Mitte sitzt und wie wichtig der Bezug "Form zu Hintergrund bzw. Format" hat. (Foto ist sehr schlecht - Werk ist leider verschollen)

 

o.T. (Berg und See.), ca. 50x 50 cm, Öl auf Holz, 2002

Nachdem ich mich 2005-2006 aus einigen gesellschaftlichen Konstellationen/Verpflichtungen und Beziehungsgeflechten löste um mehr Raum für die Kunst zu haben, konzentrierte ich mich auf große Papirformate. Ich baute große Pinsel die bis zu 60 cm breit waren. Die Farbe füllte ich in längliche Blumenkästen. Ich wollte mit einfachen großen Strichen eine Landschaft wiedergeben. Mein eigener Körper spielt dabei eine wesentliche Rolle: Der einmalige Akt des Auftragens und dessen Dynamik mit in den Malprozess einbringen (Brunnen, 2005). Ausgangspunkt war das Erlebnis mit dem Motiv in der Realität. In diesem Fall war es ein Brunnen, den ich im Gruga-Park gesehen und fotografiert hatte. Gleichzeitig entstanden Videos in Urlauben und auf Spaziergängen, von denen ich "spontanst-Zeichnungen" auf kleinem Format in Serie machte. Ich ließ also das Video laufen und übertrug die Empfindung auf das Papier (Wald, 2005). Dazu entstanden mehrere Arbeiten.

 

Danach löste ich mich völlig vom Gegenstand und arbeitete völlig aus meiner Innenwelt heraus (Grün, 2005).

 

Beispiele für die vielen Filzzeichnungen, ca, 14,5 x 21 cm, Bleistift, Kugelschreiber, Lackstift, Marker, Filzstift auf Papier, 2006-2007

 

Später, 2006-2007 zeichnete ich hunderte kleine Papierformate beond the line mit handelsüblichen Stiften (Bleistift, Lackstift, Filzstift, Kugelschreiber, Marker und Edding). Dazu führte ich unter Beeinflussung von W. Kandinsky auch "Rhythmus-Studies" durch, bei denen ich mit Eddings in sekundenschnelle auf kleinen Formaten zeichnete (Rhythmus-Studies, 2006). Mit den bunten Zeichnungen wollte ich die Vielfalt der unzähligen Möglichkeiten der Bildfindung zelebrieren sowie die Freude, künstlerisches und schöpferisches Schaffen ins Werk zu setzen -  das für mich gleich steht mit dem lebendigen Sein - Ausdruck geben. Genauer gesagt war ich süchtig danach. In einer Ausstellung hatte ich 188 der farbigen Filzstiftzeichnungen an einer 10 Meter Wand in kleinen Metallrahmen Naht an Naht in 4 Reihen aufgehängt (beyond the line).  "Mit den Reizen nicht geizen" war ein Titel, der in einer Zeitung zu lesen war.

 

Beispiele für die Rhythmus-Studies, ca. 14,5 x 21 cm, Edding auf Papier, 2006

Kunst braucht ganze Aufmerksamkeit

Ich merkte zum Ende meines Studiums in Krefeld, dass die Kunst meine ganze Aufmerksamkeit brauchte, um eine echte Tiefe bis auf dem Grund meiner Persönlichkeit zu entwickeln. So bewarb ich mich nach dem Abschluss in Krefeld an der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Einen Monat zuvor wurde ich noch befördert und musste ein paar Tage nach Verkünden meiner neuen Führungsrolle peinlicherweise mitteilen, dass ich kündige, um nach Berlin zu gehen. Es fiel mir nicht leicht bei so gutem Gehalt und eingespielten, sicheren Sozialstrukturen. So ging ich dann nach Berlin und lebte ein Studentenleben mit Nebenjobs und Studentenbude. Es war gewöhnungsbedürftig. Und mega anstrengend.

 

Berlin  - der Schleudergang

Als ein Schleudergang bezeichne ich die Zeit gerne. Denn bis heute muss ich mein jahrelang geprägtes wirtschaftliches und neoliberales Denken  transformieren und eine neue Sprache lernen, die mit meinen Gefühlen verbunden ist. Das ist bei Zeiten eine mentale und emotionale Herausforderung, vom Konkurrenz-Denken hin zu einem kooperativen und, mit weit fortgeschrittenen Menschen, integralen und würdigen Miteinander zu kommen. Mit 13 Jahren hatte ich ein Bild gemalt, dass ein Universum zeigte, in dem die Planeten in Gefängnisse sitzen. Heute weiß ich, was es bedeutet.

 

Berlin war die totale Freiheit

Während des Studiums in Berlin hatte ich Zeit und Raum, frei zu experimentieren, bei den Bildhauern 2 Semester zu studieren und die  Kunstgeschichte nachzuholen, die ich in meinem nebenberuflichen Studium nur am Rande mitbekommen habe. Das war eine der besten Zeiten meines Lebens, weil sie so unfassbar anstrengend, inspirierend, neu und reibend war.

 

Künstlerische Entfaltung ist heiliger Raum

Erst heute wird mir im Rückblick bewusst: Die Kunst will sich ausdrücken in ihren wirklichen Gesetzmäßigkeiten. Die Malerei ist da eine Möglichkeit: Farbe und Material. Die Sprache der Kunst durchläuft jeden Menschen individuell und entfaltet sich nur im Jetzt. Voraussetzung ist, dass man mit seinen Empfindungen, mit seinem Gemüt und der Seele verbunden ist. Wenn ich mich für die gefühlsmäßig richtig- und falsch-Impulse sowie "Nicht-Impuls-Zeiten" öffne, kann es zu einer künstlerischen Entfaltung kommen. Diese Entfaltung ist heiliger Raum, den ich nicht religiös verstehe, sondern im Sinne der Empfindung: Wenn etwas heilig ist, habe ich eine besondere Schwingung, dann bin ich besonders Achtsam und zugänglich für Informationen aus dem Seelenfeld.

 

Meine Malerei hat Erinnerungen hervorgerufen, die ich durch meine geistige Fokussierung auf das Alltagsleben völlig vergessen hatte: Die Erinnerungen an meine Seele, an meine Verbundenheit mit der Erde und allem Lebendigen, das existiert. Diese leise Seelen-Stimme kann sich nur entfalten, wenn der Geist frei ist, wenn genug Zeit da ist, in die Stille zu horchen mit jeder Zelle des Körpers. Man kann an dem Verlauf sehen, dass ich mit meiner Diplomarbeit nach 10 Jahren Kunst etwas auf den Punkt bringen konnte, das sich als ein eigenständiges Wesen mit einer völlig eigene visuellen Sprache entpuppt. Ich habe da ein unglaubliches Phänomen "ins Bild" gesetzt und dieser Kunst-Ebene die Möglichkeit gegeben, sichtbar zu werden.

 

Eruptiver Prozess Berlin

Während ich nach dem ersten Studium meinen Wohnsitz nach Berlin verlegte und mich in meinem 2. Studium in Berlin ab 2007 auf die Bildhauerei und theoretischen Studien konzentrierte - und zum ersten Mal seit 20 Jahren nicht Vollzeit arbeitete und Zeit für mich selbst hatte - durchlief ich eine Art psychische Metamorphose durch Erkenntnisgewinn. Ich bezeichne es gerne als Schleudergang, der wirklich nicht einfach war, weil so gut wie alle alten Freundschaften und auch meine Partnerschaft zerbrach. Ich beschäftigte mich mit Philosophie, Phänomenologie, Dichtung, Psychologie, Spiritualität, Wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Physik, Biologie, Astrologie, Hirnforschung und auch religiöse Ansätze. Parallel zu dem Gang nach Berlin kam das Smartphone raus und Internet war ja bereits selbstverständlich. Dieser ganze eruptive Prozess der Auseinandersetzung führte mich zur Dekonstruktion meiner gesellschaftlichen Identität zur weiteren Öffnung und bewussten Wiederentdeckung meines tiefen, mir innenliegenden Kern, den ich heute als Essenz bezeichne. 2010 kam ich kam nach einigen räumlichen und installativen Arbeiten wieder zur Malerei zurück und begann die Auseinandersetzung mit fließenden Malprozessen, die sich schon Jahre zuvor und auch während der Auseinandersetzung mit dem Raum in kleineren Zeichnungen nebenher ankündigten (Spotzeichnung, 2010). 

 

o.T.  (Spotzeichnung) 14,5 x 21 und 30 x 40 cm, Tusche, Airbruschfarbe, Bleistift auf Papier, 2010

Die Geburt der neuen Malerei-Technik

Alle persönlichen, raumspezifischen und technischen Erfahrungen bündelten sich nun in einer neuen Malereitechnik, bei der alles fließt; der Geist, die Airbrushfarben, Tuschen, Schelllacke und Pigmente sowie das Mineral- und Quellwasser. Dadurch wird eine höchst spontane und intuitive Arbeitsweise gefordert. Ich untersuchte eine Möglichkeit, der Form zu gestatten, sich auf dem Bildträger selbst zu gestalten und dabei den Zufall einzubeziehen Bei diesen Arbeiten hatte ich den Eindruck, dass sich die Bildsprache intensiviert und sich die innere Arbeit, die ja oft im Außen nicht an sichtbaren Ergebnissen abzulesen ist, gelohnt hat. Denn diese Form der Arbeit braucht ein absichtsloses Handeln.

 

o.T.  (Spotzeichnung) 30 x 20 cm, Tusche, Airbruschfarbe, Bleistift auf Papier, 2010

Der wesentliche und weiche Blick

Experiment um Experiment reihten sich aneinander, um Reaktionen, Schichtungsverhalten, Interaktionen der Farben untereinander, dem Material (Papier/Leinwand/Glas/Stein/Gips/Kunststoff) sowie Leitungswasser, Mineralwasser, Quellwasser herauszufinden. Dabei ist die heutige Kombination Quellwasser/Aibrush/ Tuchen/Schelllacke Keilrahmen/Baumwolle entstanden (Diplomarbeit: Just Now).

 

Diese Technik ermöglicht Kombinationen, die unzählige Möglichkeiten beinhaltet und bewusst von mir in ihrer Offenheit gewählt ist. Mir scheint, es entfaltet sich in dieser Offenheit der wesentliche Blick.

 

Meine Diplomarbeit im Jahr 2011 hat das auf den Punkt gebracht. Diese Arbeit ist mit der Absicht entstanden, aus dem freien intuitiven Machen heraus das entstehen zu lassen, das sich "durch sich selbst" zeigen will.

 

o.T. (Just Now), ca. 184 x 204 cm, Airbrushfarbe, Mineralwasser auf Leinwand, 2011


o.T. (Zitronen), ca. 50 x 60 cm, Öl auf Baumwolle, 2002

o.T. (Landschaft), ca. 30 x 60 cm, Öl auf Baumwolle, 2002

o.T. (N.Y.), ca. 120 x 100 cm, Öl auf Baumwolle, 2003

o.T. (Studie), 30 x 80 cm, Öl auf Holz, 2003

o.T. (Parkplatz) ca. 120 x 90 cm, Acryl auf Baumwolle, 2004

o.T. (Garten), ca. 21 x 15 cm, Acryl auf Holz, 2004

o.T. (Garten2), ca. 21 x 15 cm, Acryl auf Holz, 2004

o.T. (Brunnen), ca. 133 x 160 cm, Acryl auf Papier, 2005

o.T. (Wald), ca. 21 x 14,5 cm, Öl auf Papier, 2005

o.T. (Farbwelt), ca. 160 x 133 cm, Acryl auf Papier, 2005

o.T. (Grün), ca. 133 x 170 cm, Acryl auf Papier, 2005


 

Der Weg der Kunst - Krieg und Kontrolle hören dann einfach auf

Der Weg der Kunst hat mich auf Identitätsebene verändert. Meine Studien zur indischen, französischen und deutschen Philosophie, Phänomenologie, Psychologie und zu zeitgenössischen "Erleuchteten" Personen in Europa und USA haben mir neue Denkhorizonte geöffnet. Seminare zu verschiedenen Themen haben mich viel über mich und mein Verhalten gelehrt. Eines jedoch ist immer gleich geblieben: Mein innerster Kern, die Verbindung zu Mutter Erde zu dem Universum. Heute fühle ich mich als Wesen des Friedens. Als Wesen auf diesem Planeten, das einem biologischen Kommunikationsnetz zugehört, das milliarden Jahre gewachsen ist. Während meiner langen Reise der Kunst hat eine völlige Umkehrung meines Denkens stattgfunden. Ich weiß, dass ich einen Körper, einen Geist und eine Seele habe. Ich weiß, dass sich die Sprache der Seele in Zeichen mitteilt und mich sehr sanft an die Liebe heranführt, in dessen Licht alles anders erscheint als man je zu hoffen gewagt hätte. Der Geist muss sich schrittweise daran gewöhnen, weil er sonst durchdreht. Es gibt einen passenden Spruch: Hass ist krass, Liebe ist krasser. Und das stimmt. Wer einmal diese Dimension der Liebe wahrgenommen hat, will nichts anderes mehr. Dies ist eine Sehnsucht, die nicht schmerzt, sondern erfüllt, anfüllt, weil du es selbst bist, aus dem dieser Quell entspringt. Und dieses Sehnen führte mich einst zur Malerei. Nun führt mich die Malerei dazu, andere Menschen zu ermutigen, auf ihrem persönlichen Pfad zu wandeln, auch wenn es der Geist manchmal nicht versteht und viel Angst hat vor dem, was sich auf dem Weg zeigt. Sei gewiss: Du bist nicht allein. Wir alle gehen den Weg auf eine Zukunft zu, die das Paradis auf Erden erschafft, sofern wir unserer Seele zuhören und Methoden entwickeln, eine funktionierende, internationale Gemeinschaft des Friedens zu installieren. Ein Leben ohne Konflikt ist möglich, wenn wir der Seele folgen und immer in ihrem Sinne handeln. Die Zeiten der Manipulation und des Mißbrauches sind vorbei, weil wir uns als das erkennen, was wir sind: wir alle sind Aspekte des EINEN. Und das wird ein Handeln nach sich ziehen, das den Planten voranbringt, Frieden und Einheit produziert. Krieg und Kontrolle hören dann einfach auf. Im Angesicht der Liebe ist dies nicht mehr notwendig.

 

Lucia Fischer, Berlin 2015